Das Zeitmonster (Eine Kurzgeschichte für Kinder)

„Alle Zeiger sind weg”, rief Joanna außer Atem, während sie durch die Wohnung lief. Die Zeiger fehlten an der Küchenuhr, an dem Wecker auf Joannas Nachttisch und an der Armbanduhr, die Papa ihrem Bruder Jamie geschenkt hatte.

Das Zeitmonster hatte wieder zugeschlagen. Seit Monaten kam es in der Nacht, klaute die Zeiger aus den Uhren und verschwand damit spurlos. Joanna, ihr Bruder und ihre Eltern wussten nie, wie spät es war. Jamie hatte schon zweimal den Schulbus verpasst. 

“Bin gespannt, wann das Ding die Zeiger wieder bringt”, sagte Joanna. Ja, das Zeitmonster brachte seine Beute nach einigen Stunden wieder und steckte die Zeiger zurück an ihren Platz. Meistens am Tag, wenn keiner zu Haus war.

Joanna und Jamie wussten, dass es ein kleines Monster war, denn sie hatten vor dem Zubettgehen einmal Sand auf den Nachttisch gestreut – und das kleine Monster hatte winzige Fußabdrücke hinterlassen.

“Ich habe eine Idee”, rief Jamie und erklärte seiner Schwester seinen Plan. Die beiden streuten wieder Sand auf den Nachttisch, doch diesmal wollten sie eine Falle aufstellen. Jamie kaute einen Kaugummi, spuckte ihn aus und band einen Faden drumherum. Dann legte er ihn in den Sand und das Ende der Schnur band er an seine Schublade. Bald darauf gingen die Kinder schlafen.

“Was war das?!” Jamie hörte ein Rascheln und schnellte in seinem Bett auf. Da sah er etwas im Dunkeln auf seinem Nachttisch zappeln. Schnell öffnete er seine Nachttischschublade und zog an dem Faden. Mit einem dumpfen Geräusch landete das zappelnde Etwas in seiner Falle. Schnell schloss er die Schublade wieder. Das Monster war gefangen und rumpelte lautstark gegen die Wände seines hölzernen Gefängnisses.

Joanna setzte sich auf Jamies Bettkante und beide starrten auf den wackelnden Schrank. “Lasst mich raus, Ihr Stinktiere”, quietschte es aus der Schublade. Es klang ein bisschen nach einem Frosch. Jamie rief: “Nein, du bleibst da drin, du Zeiger-Dieb!” Aus der Schublade kam zurück: “Es tut mir ja leid, aber ich kann mit den Zeigern so schön spielen! Sie sind wie kleine Degen, Säbel und Schwerter!” Die Geschwister tauschten einen verwunderten Blick aus: Deshalb hatte das Monster die Zeiger geklaut! Es spielte wohl genauso gerne wie Joanna und Jamie.

“Monster, wenn wir dich rauslassen, was kriegen wir dafür?”, fragte Joanna.

“Einen schleimigen Ball?” bot das Monster an. 

“Bäääh”, riefen Joanna und Jamie im Chor. 

“Ok, wie wäre es mit einer kostbaren Halskette aus Regenwürmern?” 

“Iiiiiiiiiiiiiiiiih”, riefen die beiden. Und Jamie fragte: “Was kannst du gut, Monster?” 

“Ich bin ein berühmter Märchenerzähler. Zumindest da, wo ich herkomme. Wenn ich eine Ritter- oder eine Piraten Geschichte erzähle, brauche ich deshalb die Zeiger für meine Schwerter und Säbel.”
Joanna sagte: “Dann machen wir einen Deal: du erzählst uns jeden Abend vor dem Zubettgehen eine Geschichte. Dafür darfst du die Zeiger mitnehmen. Am Morgen sind sie aber wieder in den Uhren, damit wir nicht verschlafen. Einverstanden?”

Das kleine Zeitmonster willigte ein und erzählte den Geschwistern fortan jeden Abend eine Geschichte aus dem Funkelwald.


Dies war eine von 16 fantastischen Kurzgeschichten aus meinem Kinderbuch „Fantastische Geschichten aus dem Funkelwald“. Das farbig kolorierte Buch ist bei Amazon als Taschenbuch oder ebook verfügbar


Illustrationen von Jacqueline Düwel

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